Jakob Zimmermann und die Welt der Malerei und der Schmetterlinge
von Justin Hoffmann
Die Farbigkeit von Jakob Zimmermanns Gemälden ist bestechend, sie stimmt fröhlich, ohne in irgendeiner Form kitschig oder banal zu sein. Eine Inspiration dafür scheinen vergleichbar zu Paul Klee die Gemälde von Kindern zu sein. So sehen wir auf dem Werk „2 Schmetterlinge, 1 Saure Gurke und der zauberhafte Kreislauf der Natur“ in der linken oberen Ecke eine Sonne positioniert, so wie man sie von Kinderbildern kennt. Strahlen dieser Sonne sind aber von Fühlern zweier Schmetterlinge umschlungen, was für den humorvollen Umgang Jakob Zimmermanns mit Motiven aller Art charakteristisch ist. Auf den meisten seiner Gemälde finden wir Formen, die aus der Natur stammen oder stammen könnten. Der in dem Titel genannte Kreislauf wird ganz simpel durch die Sonne links oben und eine Regenwolke samt Regentropfen rechts sowie durch Tiere und Pflanzen angedeutet. Aus dem Bereich der Fauna stammt der Titel eines anderen großformatigen Gemäldes. Es trägt den Titel „Le coq“, der Hahn. Dabei ist es nicht das naturalistische Abbild eines Hahnes, den wir zu sehen bekommen, sondern eine Kulmination vegetabiler Formen. Im unteren Bildteil können wir so etwas wie Krallen erkennen, im oberen schießen aus einer Pflanze mit roter Blüte bunte Streifen, die an einen Regenbogen erinnern. Ein kleiner Falter nähert sich diesem Gewächs. Alle dieser runden Formen scheinen als Anlass zu dienen, bestimmte Farben zu kombinieren oder besser aufeinandertreffen zu lassen. Helle Farbtöne dominieren. In den meisten seiner Bilder finden wir eine Balance von abstrakten und figürlichen Elementen. Figürliches scheint auf jeweilig Elementares reduziert, aber nicht im Sinne der Abstraktion eines Körpers, sondern zum Zwecke einer besseren Farbwirkung. Orangebraun und Violetttöne stehen im Vordergrund des auf „Le Coq“ verwendeten weiten Farbspektrums. Aber auch seine Skulpturen zeigen amorphe, von pflanzlichen Formen geprägte Oberflächen. Sie sind bemalt und weisen allein durch ihre Titel bzw. die Art der irritierenden Titelgebung deutlich inhaltliche Bezüge zu den Gemälden auf. Eine Serie von Skulpturen aus Papiermaché nach berühmten Stuhl-Klassikern werden entsprechend als „Subjektivierungsmaschinen“ bezeichnet und somit vollkommen neu interpretiert.
Provokation und Heiterkeit
Mit der scheinbaren Harmlosigkeit der Motivwelt und der fröhlichen Farbigkeit kratzt Jakob Zimmermann an den Vorstellungen von Kunst als das Erhabene. Hinter den vielfältigen Referenzen an Kinderästhetik, touristische Sehenswürdigkeiten (wie auf dem Gemälde „sacid schwanstein“) oder Erotik wie bei den Werken „Solar Anus“ und „solar Anus Spinne“ – „L'anus solaire“ ist ein kurzer erotisch-surrealistischer Text des französischen Schriftstellers und Philosophen Georges Bataille – verbergen sich kritische Positionen zur Gegenwart, die erst auf dem zweiten Blick deutlich werden. Die Absurditäten des von ihm Erlebten wird in Form einer subversiven Freundlichkeit visualisiert.
Als Kunsthistoriker erliegt man immer der Versuchung, die Werke von Künstler*innen zu kontextualisieren. Die Suche nach Bezügen im Kunstdiskurs soll unterstreichen, dass keine künstlerische Arbeit aus dem Nichts entsteht. Gerade weil die bildende Kunst letztlich ein Kommunikationsmedium ist, wie sie u. a. der Soziologe Niklas Luhmann beschreibt, gehört zu einer künstlerischen Laufbahn heute die Aufnahme von Informationen und die Auseinandersetzung mit einer Vielfalt von künstlerischen Positionen. Die besondere Bedeutung eines Werks ist nicht in einer Singularität begründet, sondern eruiert aus der Differenz zu anderen Arbeiten und dem Remix. Im Fall des in Pop- und Medientheorie geschulten Jakob Zimmermann kann man eine Traditionslinie zur Malerei in Deutschland der frühen 1980er Jahren knüpfen. Insbesondere zu Milan Kunc und anderen Mitgliedern der Künstlergruppe „Normal“ (Milan Kunc, Jan Knap, Peter Angermann) kann man Verbindungen sehen – Künstler, die ebenfalls mit ihrer postulierten Einfachheit und Normalität provozierten. Milan Kunc stellte auch gemalte Bühnenhintergründe für die Auftritte der legendären Synthie-Pop-Formation „Der Plan“ her, die mit Titeln wie „Gummitwist“ oder „Alte Pizza“ in der Punk-New Wave-Ära begeisterten. Oft produzierte Kunc diese Kulissen zusammen mit Plan-Mitglied Moritz Reichelt aka Moritz R®, der selbst in dieser Richtung malte und u. a. für die Synthie-Pop-Band Depeche Mode zwei Single-Coverentwürfe schuf. Auch Jakob Zimmermann ist mit seinen künstlerischen und musikalischen Fähigkeiten Mitglied einer sehr beachtenswerten Band und Künstlergruppe, die den Namen „BEZUGSGRUPPE RAINER RAUCH“ trägt. Auch darüber könnte man viel erzählen, aber das ist eine andere Geschichte.
Justin Hoffmann
Justin Hoffmann ist Kurator, Musiker (F.S.K.) und Kunsthistoriker. Vorstandsmitglied des Kunstraum München 1995-2004; Kurator, Shedhalle Zürich, 1997-2000; Kurator, Kunsthalle Wien 2001-2002. Seit 2004 Direktor des Kunstverein Wolfsburg.
Veröffentlichungen (Auswahl):
Destruktionskunst (1995); Das Phantom sucht seinen Mörder. Ein Reader zur Kulturalisierung der Ökonomie (1999, Hg. zusammen mit Marion von Osten); Learning from Detroit, (2014, Hg. zusammen mit Günter Riederer), Techno Worlds (2022, Hg. Zusammen mit Mathilde Weh und Creamcake).